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Statements2024

Statements
Demokratie, Geistesfreiheit und Leben als Basis freigeistiger Weltanschauung
Demokratie, Geistesfreiheit und Leben bilden ein fundamentales Trio, das die Grundpfeiler einer offenen, fortschrittlichen Gesellschaft darstellt. Diese Elemente sind nicht nur eng miteinander verknüpft, sondern bedingen sich auch gegenseitig, um eine dynamische und resiliente Gemeinschaft zu fördern.

Demokratie – Mehr als nur ein politisches System
Demokratie ist weit mehr als eine Regierungsform; sie ist eine Lebensweise, die auf den Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und des Respekts für jeden Einzelnen basiert. In einer Demokratie hat jeder Bürger die Möglichkeit, durch Wahlen direkt oder indirekt an den Entscheidungen teilzunehmen, die sein Leben beeinflussen. Dies fördert nicht nur die Verantwortung jedes Einzelnen für das gesellschaftliche Wohl, sondern stärkt auch das Vertrauen der Menschen in ihre Institutionen. In den freigeistigen Organisationen, die als Mitgliedsverbände im DFW vereint sind, spielen demokratische Prozesse eine entscheidende Rolle.

Geistesfreiheit – Der Kern individueller und kollektiver Entfaltung
Geistesfreiheit ist das Recht, Gedanken, Meinungen und Überzeugungen frei zu äußern, ohne Angst vor Unterdrückung oder Repression. Diese Freiheit ist essenziell, damit Innovation und Kreativität gedeihen können. Nur in einer Gesellschaft, in der Menschen frei denken und kommunizieren können, findet ein lebendiger Austausch von Ideen statt. So können gesellschaftliche Bedingungen verbessert werden, was zu einem reichhaltigeren intellektuellen und kulturellen Leben führt.

Leben – Das grundlegende Menschenrecht
Das Recht auf Leben ist das grundlegendste aller Menschenrechte. In seiner umfassenden Form beinhaltet es nicht nur das physische Überleben, sondern auch die Qualität des Lebens, die durch verschiedene soziale, ökonomische und kulturelle Faktoren bestimmt wird. Eine demokratische Gesellschaft, die die Geistesfreiheit schätzt, trägt dazu bei, dass ihre Mitglieder ein erfülltes und sinnvolles Leben führen können.

Die Wechselwirkung zwischen Demokratie, Geistesfreiheit und Leben
Das Zusammenspiel dieser drei Elemente schafft eine Synergie, die für die Entwicklung und das Wohlergehen einer Gesellschaft unerlässlich ist. Demokratie bietet den Rahmen, in dem ein Leben in Freiheit gedeihen kann; Geistesfreiheit ermöglicht es den Menschen, aktiv am demokratischen Prozess teilzunehmen und ihre Meinungen, Bedürfnisse und Forderungen zu artikulieren. Das Ergebnis ist ein gesichertes und würdiges Leben in einer toleranten Gesellschaft.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Trotz ihrer Bedeutung stehen Demokratie, Geistesfreiheit und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben gerade heute weltweit unter Druck. Politische Instabilität, wirtschaftliche Schwierigkeiten und soziales Ungleichgewicht können diese Grundwerte untergraben. Aber auch neue Technologien und die Globalisierung sind sowohl Chancen als auch Risiken. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, ist es entscheidend, dass Bildung und kritische Auseinandersetzung gefördert werden. Bildung stärkt das Verständnis für die Bedeutung von Demokratie und Geistesfreiheit. Sie sorgt dafür, dass Menschen in die Lage versetzt werden, am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen und gut durchdachte Entscheidungen zu treffen.
Demokratie, Geistesfreiheit und Leben sind nicht nur miteinander verbunden, sondern auch von zentraler Bedeutung für die Gestaltung einer gerechten und lebendigen Gesellschaft. Sie sind die Säulen, auf denen die Freiheit ruht, und müssen ständig verteidigt und gefördert werden, um die Würde und das Wohl aller zu gewährleisten. Dafür steht der DFW seit 75 Jahren.

Ortrun Lenz

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Albanien –
unaufgeregt säkular
Der aktuelle Angriff des Iran als Verbündeter der radikal-islamischen Hamas gegen Israel macht die prekäre Lage von religiösen Kämpfen in der Welt wieder einmal sehr deutlich. Im Namen von … wird leider viel zu selten um Besonnenheit aufgerufen. Erst jetzt, nach der Eskalation zwischen dem Iran und Israel wird von allen Seiten Zurückhaltung gefordert.
Meine gerade abgeschlossene Reise nach Albanien lässt mich hier innehalten und noch einmal auf die gewonnenen Eindrücke vor Ort zurückdenken. Ist Albanien ein Land, dass uns Vorbild für ein säkulares Leben sein kann? Mein Wissen zu religiöser Vielfalt und einem friedlichen Nebeneinander auf der Balkanhalbinsel war nur begrenzt vor meiner Reise, jedoch beeindruckte mich das reelle Leben weit mehr als es Reiseberichte oder Informationsquellen mir vorher hätten berichten können.
Das wahre Miteinander im sozialen Raum, egal welcher Religion bzw. Gruppe sie angehören, die albanischen Menschen leben es. Rund sechzig Prozent der fast 3 Millionen starken Bevölkerung in Albanien sind muslimisch, zehn Prozent katholisch sowie sieben Prozent albanisch-orthodox. Weiterhin gibt es rund zwei Prozent Bektashi, einen muslimischen Sufi-Orden.
Interreligiösität und der Austausch zwischen den einzelnen Gruppen scheint überall möglich. Man spürt förmlich diese Offenheit. Das gemeinsame Feiern religiöser Feste, Mischehen, ein soziales fröhliches Mit- und Nebeneinander als Zeichen eines weitgehend harmonischen Zusammenlebens.
Albanien hat viel mehr zu bieten als Religion, aber anscheinend keine Konkurrenz dieser Gruppen. Die Religionsausrichtung scheint Privatsache zu sein. Das Stadtbild wird geziert durch die Minaretten der Moscheen und der katholischen Kirchen (Siehe Bildmaterial – Beide Gotteshäuser stehen unweit voneinander entfernt am Skanderbeg-Platz, mitten im Stadtzentrum von Tirana). Hier lebt die religiöse Vielfalt in der Offenheit und Akzeptanz aller nebeneinander.
Auf meine Frage nach einer atheistischen Auslebung wurde mir geantwortet, dass dies jedoch nicht möglich sei. Das man einer Konfession angehören müsse. Prüfen konnte ich dies nicht, es ist vielmehr eine Einzelmeinung und dennoch wäre es erklärbar durch Albaniens Vergangenheit. Praktizieren durften alle Religionsgemeinschaften erst wieder nach 1992, nachdem 1967 Enver Hoxha (Ehemaliger Ministerpräsident) Albanien zum ersten atheistischen Land der Welt erklärt und alle Religionen und deren Ausübung verboten hatte (https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/soeu-1987-3611-1208/html?lang=de). Diese tiefgreifende Säkularisierung setze schon frühzeitig nach 1945 durch das kommunistischen Regime ein und veränderte die Rolle der Religion in Albanien enorm. (https://www.chwev.de/religioese-toleranz-in-albanien/)
Auch wenn Albanien oft durch schwere Zeiten gehen musste, so war doch religiöse Harmonie und Toleranz eines der stärksten Kennzeichen des albanischen Volkes und ist es bis heute. Doch das religiöse Leben war nie aus Albanien verschwunden, religiöse Überzeugungen sind bei vielen Albanern lebendig geblieben. Und dennoch scheint der soziale Funke, das gemeinsame Miteinander in den Balkan-Gesellschaften eine größere Rolle zu spielen, als einer Radikalisierung, wie sie im Westen als Plattform dient. Von der Verfassung garantiert, ist die Religionsfreiheit per Gesetz gegeben und erkennt alle Religionsgemeinschaften als gleichberechtigt an. Der albanische Staat lebt das von uns gewünschte Ideal – die Trennung von Kirche und Staat. Hier zählt der gegenseitige Respekt zwischen den Gläubigen und der Glaube jedes Einzelnen hat keinen Einfluss auf die Beziehungen zwischen den Menschen. Dieser Zusammenhalt für Werte und Nation ist in meinen Augen ein großes Vorbild für uns Deutsche, aber auch für die weltweiten Konflikte, die unser Dasein beeinflussen.
Natürlich gibt es auch in Albanien Debatten und Kritik zur religiösen Toleranz und zu den Auswirkungen der Religion auf die Gesellschaft. Jedoch praktizieren die meisten Albaner ihre Religion heute gar nicht aktiv. Auch hier sehe ich Parallelen zur deutschen Gesellschaft, deren Anteil der Kirchenzugehörigen von Jahr zu Jahr schrumpft, genau wie die Zahl der aktiv zur Kirche gehenden Menschen. Rekordwerte zeigen Zahlen von knapp 400.000 Austritten aus der Evangelischen Kirche im Jahr 2022, sogar mehr als 500.000 bei der katholischen Kirche im selben Jahr. Laut Spiegelartikel stellen Kirchenmitglieder nur noch eine Minderheit in Deutschland da (https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/kirche-katholisch-oder-evangelisch-nicht-einmal-mehr-die-haelfte-in-deutschland-a-274e0475-fc22-4504-a8ca-963924a40651).
Die Religionsauslebung in Albanien scheint ähnlich wie bei vielen Christen in Deutschland eine private Auslebung zu sein. Anscheinend strebt weder die Mehrheit der Muslime noch der Christen oder anderer Gruppierungen eine Führungsposition ihrer Religion an. Alle sind gleich viel wert, jede Region zelebriert ihre eigenen Feiertage, aber alle haben gemeinsam frei. Zwei Beispiele sind die nationalen Feiertage Nouruz (22.03.24) und der Ostersonntag (31.03.24), die für alle Menschen in Albanien als freie Tage gelten, aber auch Ramadan (Beginn 10.03.24) und das Zuckerfest, welches das Ende der Fastenzeit am 09.04. einläutete, werden groß sichtbar und interreligiös im Lande gefeiert (Franziska Tschinderle, https://surprise.ngo/advent08/).
Kritische Stimmen behaupten, das der neue Laizismus anstelle des Atheismus stark übertrieben werde, „ […] der die Gesellschaft von der Religion fernhalten will.“ (https://www.deutschlandfunk.de/religion-in-albanien-vom-atheismus-zum-islamismus-100.html).
Ich sehe hier jedoch ein gesundes Maß an persönlicher Religiosität, die sich in das soziale Leben der Menschen in Albanien integriert, ohne dogmatisch die Oberhand zu gewinnen und somit den Menschen einen Mehrwert in ihrer Kultur bietet, ohne sie in irgendeiner Weise einzuschränken. In dieser religiösen Auslebung sehe ich das albanische Volk wirklich als Vorbild, da die tief verwurzelte Toleranz nicht in ihren Grundfesten durch dogmatischen Atheismus oder fanatischen Religionskampf erschüttert wurde, sondern einen respektvollen Umgang miteinander befürwortet. Dies sollte all unser Ideal auf der Welt sein, egal welcher Konfession wir uns zugehörig fühlen, egal in welcher Ausrichtung wir leben – ein friedvolles, respektvolles und säkulares Leben und Handeln.
Silvana Uhlrich-Knoll


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